Kommentare (5)
Die Wendung "Das passt sich nicht" mit dem reflexiven Verb "sich passen" ist offenbar österreichische Umgangssprache, nicht österr. Standarddeutsch. Wo findet man linguistische Angaben dazu, bitte?
Gemeindeutsch (= Standard in at, ch und de): Das schickt sich nicht. Das gehört sich nicht.
Das Verb kommt von "passieren" (frz. "passer"). Als urspr. Sinn ergibt sich so: "Das darf nicht passieren. Das geht nicht durch."
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Standard 30.06.2016
Nicht österreichisch, sondern (zumindest) bairisch,
s. Ludwig Thoma: "Es
paßt si amal net für an Schtudierten, daß er bei de Knecht hockt oda gar a Freundschaft hat damit." ("Der Ruepp", 1921)
Koschutnig 02.07.2016
"Sich passen, passlich, passend sein. Das passt sich nicht."
(Woerterbuch der Deutschen Sprache. Veranstaltet herausgegeben von Joachim Heinrich Campe. Erster [- funfter und lezter] Theil: L-bis-R, Band 3, S. 589; ohne Hinweis auf die Verbreitung.)
sich nicht passen (ugs.) = unpassend sein (gmd.)
Ev. entstanden aus "passt nicht" und reflexiv "gehört sich nicht".
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Standard 15.07.2016
Nun, 1797 lässt Hölderlin seinen Hyperion sagen: „Ein jeder treibt das Seine, wirst du sagen, und ich sag es auch. Nur muß er es mit ganzer Seele treiben, muß nicht jede Kraft in sich ersticken, wenn sie nicht gerade
sich zu seinem Titel
paßt,“ und Moses Mendelssohn sagt in seinem im "56. Brief, die neueste Litteratur betreffend":
Dieses ist das allgemeine Schicksal der Hypothesen! Sie passen sich selten ganz auf die Natur
source: Moses Mendelssohn, Ges. Schriften (1844) Bd. 4, S. 568
Auf diese Zitate verweist Daniel Sander in seinem " Wörterbuch der deutschen Sprache", Bd.2 (Leipzig 1863), S. 505, der dort auch das reflexive Verb enthält -
passen […] 3) refl. (s. 4): Sich p. - p-d sein, näm. sich schicken, sich ziemen, z.B. Es will sich halt nicht p.
source: Daniel Sander, Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd.2 (Leipzig 1863), S. 505
. Neben dem Hyperion- und dem Mendelssohn-Zitat, die ja nicht dem "sich schicken" entsprechen, nennt Sanders noch einige andere Beispiele für die reflexive Verwendung von 'sich passen' , das im 19. Jh. möglicherweise wie
sich ziemen, sich schicken, sich gehören eben auch rückbezüglich verbreitet war, worauf ja auch die Nennung ohne jede Qualifikation in anderen Sammlungen etwa aus Magdeburg, Regensburg und Gießen schließen lässt:
passen 1. Zw. […] 2) rückz. s i c h -, sich schicken passlich, geziemend sein (das passt sich nicht);
source: K.W.L. Heyse, "Handwörterbuch der dt. Sprache" ( Magdeburg 1835 ff.) 2. Band, 1. Teil (1842). L – schwirren, S. 337
passen […] 7) sich schicken, geziemen, paßlich, passend sein: Das paßt sich nicht für dich.
source: Johann Baptist Weyh, "Praktisches Handwörterbuch des deutschen Sprachgebrauchs", 2. Band. K - Z ( Regensburg 1851), S. 198
passen [...] 3) reflexiv (sich passen) : so sein wie eins zum andern sein muß.
source: Friedrich Ludwig Karl Weigand, "Deutsches Wörterbuch", Zweiter Band. M-R (Gießen 1878)
. Keine Erwähnung davon war zunächst im Grimm'schen Wb. zu finden, dann jedoch zu allerletzt im langen "passen"-Eintrag:
III. reflexiv, zu I, 6:
dafür hat er (philosoph ) sich in ihren (der theologie) purpurrock gepaszt, der ihm auf dem nervichten leibe überall platzt. Lessing 11, 748;
so suche er sich ... einen fond dazu, der sich paszt. Hackert bei Göthe 37, 359.
das paszt sich nicht (schickt sich nicht) u. dergl.;
nd. wen't sik passet, bei einer schicklichen gelegenheit. brem. wb. 3, 297.
source: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (1854-1961), Bd. 13, Sp. 1485,
Online-Version vom 16.07.2016
Das DUDEN-Stilwörterbuch ( "Grundlegend für gutes Deutsch") bezeichnet es nun als umgangssprachlich und landschaftlich:
passen: [...] p.3. (ugs; landsch.) 'sich p.' sich gehören: so ein Benehmen paßt sich nicht
source: Der Große Duden, Bd. 2, Stilwörterbuch, 6. Aufl. 1971
In der vorangegangegen 5. Auflage von 1963 war 'sich passen' noch nicht qualifiziert, denn da lautete der Eintrag:
passen: 1) intrans.: [...] . 2) refl.: sich gehören: das paßt (schickt) sich nicht.
source: Duden Stiwörterbuch der deutschen Sprache, 5. Auflage 1963
Koschutnig 15.07.2016
Danke für die nachträgliche Belegkorrektur für "Sich passen, passlich, passend sein. Das passt sich nicht" mit der Nennung auch des Verfassernamens vom
Wörterbuch der deutschen Sprache
source: Joachim Heinrich Campe, Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Teil. L - R, Braunschweig 1809
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Dass der Verfasser das reflexive 'sich passen' schon 1809 mit † versieht, das ja in Wörterbüchern i. A. für "veraltet, nicht mehr gebräuchlich" steht, erstaunt bes. im Hinblick auf die Nennung in späteren Wörterbüchern - oder habe ich da etwas falsch interpretiert?
Koschutnig 16.07.2016